Freitag, 6. Dezember 2013

Herr Rösler hat geliefert

Politik und Gesellschaft   |  Sprache
"Ab heute wird die FDP liefern" - FDP-Chef
Philipp Rösler im Mai 2011
Von der politischen Bühne ist Philipp Rösler seit diesem Wochenende verschwunden. Doch auf einem anderem Gebiet könnte der ehemalige FDP-Vorsitzende Deutschland weitaus nachhaltiger geprägt haben.

"Die Union muss liefern", steckt Sigmar Gabriel die Grenzen für die Koalitionsverhandlungen des nächsten Tages ab. "Wir müssen überhaupt nicht liefern", kontert Volker Kauder in bereits vertrauter Wortwahl. Und die FAZ fordert mit Blick auf die Wirtschaftsreformen der Volksrepublik: "Jetzt muss China liefern". Bei aller inhaltlichen Widersprüchen eint diese Sätze vor allem eine Besonderheit: Die Verwendung des Wortes "liefern".

Am 14. Mai 2011 betrat Philipp Rösler als frisch gebackener FDP-Vorsitzender das Rednerpult und hatte großes vor. Guido Westerwelle war abgesägt und Rösler sah seine Chance gekommen, der deutschen Politik seinen Stempel aufzudrücken. Doch vor allem ein Satz ist von seiner Rede in Erinnerung geblieben: "Ab heute wird die FDP liefern!". Glaubt man dem Wählerurteil ist dies nicht gelungen. Die FDP verfehlte die 5%-Hürde, flog mit 4,8% aus dem deutschen Bundestag und Philipp Rösler trat als FDP-Chef zurück. Die schwarz-gelbe Regierung ist Geschichte. Politisch ist nur wenig von seiner Amtszeit geblieben. In der deutschen Sprache hingegen scheint er deutlich nachhaltigere Spuren hinterlassen zu haben. Die Forderung, dass irgendjemand "liefern" muss, ist aus dem politischen Sprachjargon nicht mehr wegzudenken.

Das Wort "liefern" ist natürlich nicht neu. Gegenstände oder Ergebnisse wurden schon immer geliefert. Auch die Verwendung des Wortes ohne Akkusativ-Objekt klingt in bestimmten Zusammenhängen vertraut ("Wann soll ich liefern?"). Neu ist hingegen, dass auf keinen konkreten Gegenstand Bezug genommen wird, sondern auf ein Abstraktum, das nicht benannt werden muss. In der elektronischen Textkorpora des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) ist das Wort in dieser Verwendung schon seit Mitte der Nullerjahre belegt. Doch erst seit Röslers Rede hat diese Redewendung zumindest in politischen Kreisen ungeahnte Popularität erfahren. "Mir fiel das Wort erst in Zusammenhang mit Herrn Röslers Rede auf, seitdem aber regelmäßig", sagt auch Dr. Doris Steffens vom IDS auf Anfrage. Grammatisch ist die Redewendung fraglos korrekt. Im Englischen gibt es eine ähnliche Konstruktion ("deliver"), die schon lange verbreitet ist.

Die Erfindung dieser semantischen Konstruktion kann man Philipp Rösler also nicht zuschreiben. Zur Etablierung wesentlich beigetragen hat er jedoch ohne Frage. Denn auch wenn nicht er es gewesen sein sollte, der zum ersten Mal "liefern" wollte: Der ein oder andere wird sich bei dieser Formulierung immer an ihn erinnert fühlen. Ob er in seinem politischen Wirken ein ähnlich markantes Erbe hinterlassen hat, darf bezweifelt werden.

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